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Die Mutter entsorgte ihre zwei Bücher. Grün, gross und in Leder gebunden. Zum Entsetzten von Magda. Denn diese war seit jeher stolz, eine bücherschreibende Mama zu haben. Das Buch des Vaters, das er nicht selber schrieb, sondern die Dissertation seines Freundes  war, verliess das Haus am gleichen Tag wie er selber. Zusammen mit "Die Russen", das zuvor jahrelang auf dem Tischchen neben dem Fernsehsessel im elterlichen Schlafzimmer lag. Der Verlust der Vaterbücher war verkraftbar. Die der Mutter nicht.

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Onkel Férnand

Grossmutter lud Onkel Férnand mit seiner neuen (deutschen) Freundin zum Mittagessen ein. Es ist Nachkriegszeit und sommerheiss. Auf der Veranda serviert sie ein Fondue. Die Gäste neigen eher zum Wein denn zum Käse. Das Geschmolzene beäugt die Deutsche argwöhnisch. Nach kurzer Zeit sieht sie weisse Mäuse. Der Grossvater, ein bekannter Arzt, weiss damit umzugehen. Onkel Férnand verlustiert sich derweil im Garten. Pitschnass mit einer Blume im Haar kehrt er zurück: "Zut alors, vous avez une piscine dans le jardin?!"

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Zigaretten

Mama rauchte Kent Box. Dann Select und später Barclay. Sie sammelte die Tabakgutscheine, die der Discounter jahrelang zu jeder Stange Zigaretten mitlieferte. Sie wäre reich geworden, hätte der Supermarktkonzern den Prozess gegen den Staat gewonnen.

Nach dem verlorenen Gerichtsurteil lancierte die Ladenkette eine Eigenmarke. Mama sattelte um, kaufte jetzt die Billigsten. Jahrelang. „Lieber sterbe ich, als dass ich mit dem Rauchen aufhöre“.

Obwohl sie schon lange keine Lust mehr zum Rauchen verspürte, hatte sie bis zum Schluss immer eine Schachtel Denner-Billigmarke-Zigaretten mit dabei. Immer. Auch im Krankenhaus als sie starb.

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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