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Dreigroschenoper am Theater Basel

In Basel wird Brecht gespielt. Ich war an der Premiere. Wir sehen viele Brechts und Unterwäsche, weiss gerippt von alter Machart. Alles männlich. Auch die Frauen.

Die Musik lässt auf sich warten. Eine Kapelle hinten klein, der Einstig gross. Der Peachum mit Brechtschem Akzent. Er philosophiert. Viel Witz und die Romantik. Es scheint klar: Das wird speziell und schauspielerisch grandios. Ein Ensemble das sich kennt und trägt. Die Bühne leer. Türen, Treppen und sonstige Requisiten werden von den Figuren kommentiert. Dogville von Lars von Trier kommt mir in den Sinn. Ich habe noch nie so lustig knappe Sexszenen auf der Bühne gesehen. Brecht und Stück und Sprache und Theorie werden hier verquickt. Es gibt eine neue und einzigartige Sicht auf das Stück. Die Musik tut's den Worten gleich: Ja nicht identifizieren, ja nicht ins Gefühl verirren. Manche Lieder werden nur angesungen oder stark zerhackt. Es passt zur Theorie. Aber ich mag sie halt doch: Den Haifisch und die Segel.

Fazit: ein eindrucksvoller Theaterabend, der haften bleibt.

 

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Bauchfrei

Ich habe mir ein bauchreies Top gekauft. Mit 50 Jahren im Sale. In der Kabine sah’s ganz gut aus. Schummriges Licht und eng und knapp. Ich wollte schnellstens raus. An der Kasse ging alles rasch. Zuhause hab ich mich gefragt, ob ich es jemals tragen werde. Mir kamen die Worte meiner Schwester in die Ohren: Wer kann sich das mit 50 noch leisten? Sie meinte das Bauchfreitop.

Nun gut. Teuer war es ja nicht. Das schwarze Ding, das Brüste quetscht und eng anliegt. Shapewear nennt sich das. Solches kenn ich fleischfarben für den Bauch. Überzahlt und eher in der Kategorie «50+».

Falls ich das Teil nie anziehe – es gibt noch Sport. Und unter dem Shirt sieht niemand, dass ich es wage mit 50 bauchfrei zu tragen.

 

 

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Luca und die erste Klasse

Luca ist die App der Stunde. Überall wo du reingehst, checkst du dich ein. QR-Code. Sie wissen dann fast alles über dich. Alter, Geschlecht, Herkunft, Name. Du bewegst dich innerhalb des Netzes. Wirst es nicht mehr los. Ob Lingerieshop, veganes Restaurant oder Historisches Museum. Alles auf Sekunden genau gespeichert. Tja, Corona halt. Langsam wird mir das zuviel. Ich mache Urlaub. Berlin und Rügen. Mit dem Zug.

Vorgebuchter Regionalzug. Erste Klasse. Keine Reservation möglich. Auslastung gering. Bereits auf dem Bahnsteig wird klar: Die Berliner Jugend hat Ferien. Der Zug hat ein halbes (obere Etage eines Doppelstöckers) Abteil erste Klasse. Vier Stunden werde ich darin verbringen. Ich steige hoch und nehme Platz. Ach du meine Güte. Das Abteil wird geflutet. Vorpubertierende Kinder mit einem, den sie Thomas nennen. Die Kinder (über zwölfjährig) tragen kaum Maske, sind laut und fröhlich. Thomas motzt die Erstklass-Gäste an. Fühlt sich wie zuhause. Ich frage mich, ob erste Klasse zeitgemäss ist. Dass Leute, die mehr zahlen möchten und können, privilegiert reisen dürfen. In der DDR gabs das (offiziell) nicht. Eingepfercht, umringt von meinen Reisetaschen und -koffern (man nimmt auch nicht soviel mit!), denke ich: Das wars dann für die nächsten vier Stunden.

Inständig hoffe ich, die Tickets würden kontrolliert. Ich denke: Der Schaffner wird die Gruppe schon des Platzes verweisen. Nach zwei Stunden ist es soweit. Die freundliche Kontrolleurin meint, der Zug sei überbucht. In einer Stunde würde die Gruppe aussteigen. Viele sitzen am Boden. An einen Durchgang aufs Klo ist nicht zu denken. Stralsund. Erlösung. Der Zug nach Ostseebad Binz fährt gleich gegenüber. Er führt nur zweite Klasse. Nach einer Stunde bin ich am Ziel. Kurhotel. Direkt am Meer. Immerhin das.

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Covidhormone

Meine Eltern haben mich gegen alles nötige geimpft. Pocken, Tuberkulose, Starrkrampf, Tollwut. Der Solidaritätsgedanke ebenso wie ein gewisser Reiseegoismus liessen mich kaum zögern: Ja, ich will auch jetzt. Moderna heisst der Saft und er fliesst komplikationslos in meinen linken Oberarm. Nachts kann ich kaum schlafen. Ich weiss jetzt, dass ich auf der linken Seite schlafe, denn jedesmal, wenn meine linker Oberarm mit der Matratze in Berührung kommt, erwache ich schmerzvoll. Die Tage danach fühle ich mich müde und irgendwie anders. Kompakt. Aber anyway, der eingeschlagene Weg ist richtig, auch wenn ich neun Tage später einen sogenannten Moderna-Arm bekomme. Eine rotheisse Riesenborbel.

Zweiter Impftermin. Vorsichtshalber mache ich für die nächsten zwei Tage keine Termine. Der Einstichort schmerzt schnell, mir wird heiss und kalt und ich lege mich hin. Zweieinhalb Tage hochfiebriger Schüttelfrost. Das ist keine Impfung, das ist eine kontrolliert induzierte Corona Infektion.

Seit Jahren bin ich wegen massiver Wechseljahrbeschwerden in naturärztlicher Behandlung. Langsam und stetig eroberte ich mir meinen Körper zurück. Zuletzt ging es mir so gut, dass ich meinte, ich sei über dem Berg. Kaum mehr Wallungen, keine übelriechende Schweissattacken, Depressionsanfälle oder Aufgedunsenheitsgefühl. Und jetzt, nach all den Jahren kommen die Beschwerden mit voller Wucht zurück. Geh kaum mehr raus. Bin aggressiv und fahrig. Schwitze auch im Regen vor mich hin. Fühl mich hässlich dick. Die Hormone spinnen.

Ich weiss nicht, ob ich mich ein weiteres Mal impfen werde.

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
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Krieg

Mai 2021, coronagebeutelt öffnet das Theater. 50 Leute. Gierig auf Kultur. Das Bild ist stark. Es wird gekotzt. Eine halbe Stunde lang. Die ersten verlassen den Saal. Nicht unbedingt geräuschlos. Ich bin gebannt. Es ist zum Kotzen. Es ist Krieg. Drei Männer auf der Insel. Gespielt von Frauen. Grandios. Der Ekel, Hass und grenzenlos. Noch nie verstand ich Krieg so gut. Krieg in Griechenland. Philoktet von Heiner.

von Aurelia Becker (Kommentare: 0)
© 2024 Aurelia Becker

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