Aurelia Becker: Schriftstellerin, Philosophin und Bloggerin

Aurelia Becker: Schriftstellerin, Philosophin und Bloggerin.

Aurelia Becker Bloggerin
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denken

Luca und die erste Klasse

Luca ist die App der Stunde. Überall wo du reingehst, checkst du dich ein. QR-Code. Sie wissen dann fast alles über dich. Alter, Geschlecht, Herkunft, Name. Du bewegst dich innerhalb des Netzes. Wirst es nicht mehr los. Ob Lingerieshop, veganes Restaurant oder Historisches Museum. Alles auf Sekunden genau gespeichert. Tja, Corona halt. Langsam wird mir das zuviel. Ich mache Urlaub. Berlin und Rügen. Mit dem Zug.

Vorgebuchter Regionalzug. Erste Klasse. Keine Reservation möglich. Auslastung gering. Bereits auf dem Bahnsteig wird klar: Die Berliner Jugend hat Ferien. Der Zug hat ein halbes (obere Etage eines Doppelstöckers) Abteil erste Klasse. Vier Stunden werde ich darin verbringen. Ich steige hoch und nehme Platz. Ach du meine Güte. Das Abteil wird geflutet. Vorpubertierende Kinder mit einem, den sie Thomas nennen. Die Kinder (über zwölfjährig) tragen kaum Maske, sind laut und fröhlich. Thomas motzt die Erstklass-Gäste an. Fühlt sich wie zuhause. Ich frage mich, ob erste Klasse zeitgemäss ist. Dass Leute, die mehr zahlen möchten und können, privilegiert reisen dürfen. In der DDR gabs das (offiziell) nicht. Eingepfercht, umringt von meinen Reisetaschen und -koffern (man nimmt auch nicht soviel mit!), denke ich: Das wars dann für die nächsten vier Stunden.

Inständig hoffe ich, die Tickets würden kontrolliert. Ich denke: Der Schaffner wird die Gruppe schon des Platzes verweisen. Nach zwei Stunden ist es soweit. Die freundliche Kontrolleurin meint, der Zug sei überbucht. In einer Stunde würde die Gruppe aussteigen. Viele sitzen am Boden. An einen Durchgang aufs Klo ist nicht zu denken. Stralsund. Erlösung. Der Zug nach Ostseebad Binz fährt gleich gegenüber. Er führt nur zweite Klasse. Nach einer Stunde bin ich am Ziel. Kurhotel. Direkt am Meer. Immerhin das.

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Covidhormone

Meine Eltern haben mich gegen alles nötige geimpft. Pocken, Tuberkulose, Starrkrampf, Tollwut. Der Solidaritätsgedanke ebenso wie ein gewisser Reiseegoismus liessen mich kaum zögern: Ja, ich will auch jetzt. Moderna heisst der Saft und er fliesst komplikationslos in meinen linken Oberarm. Nachts kann ich kaum schlafen. Ich weiss jetzt, dass ich auf der linken Seite schlafe, denn jedesmal, wenn meine linker Oberarm mit der Matratze in Berührung kommt, erwache ich schmerzvoll. Die Tage danach fühle ich mich müde und irgendwie anders. Kompakt. Aber anyway, der eingeschlagene Weg ist richtig, auch wenn ich neun Tage später einen sogenannten Moderna-Arm bekomme. Eine rotheisse Riesenborbel.

Zweiter Impftermin. Vorsichtshalber mache ich für die nächsten zwei Tage keine Termine. Der Einstichort schmerzt schnell, mir wird heiss und kalt und ich lege mich hin. Zweieinhalb Tage hochfiebriger Schüttelfrost. Das ist keine Impfung, das ist eine kontrolliert induzierte Corona Infektion.

Seit Jahren bin ich wegen massiver Wechseljahrbeschwerden in naturärztlicher Behandlung. Langsam und stetig eroberte ich mir meinen Körper zurück. Zuletzt ging es mir so gut, dass ich meinte, ich sei über dem Berg. Kaum mehr Wallungen, keine übelriechende Schweissattacken, Depressionsanfälle oder Aufgedunsenheitsgefühl. Und jetzt, nach all den Jahren kommen die Beschwerden mit voller Wucht zurück. Geh kaum mehr raus. Bin aggressiv und fahrig. Schwitze auch im Regen vor mich hin. Fühl mich hässlich dick. Die Hormone spinnen.

Ich weiss nicht, ob ich mich ein weiteres Mal impfen werde.

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Italienisch für Kinder

Perché non ti metti il vestito bianco? Zwischen den beiden Schwestern entwickelte sich dieser Satz zu einem Running Gag. Jedes Mal, wenn die eine etwas Weisses trug, schmetterte die andere in höllischem Tempo der anderen ins Ohr: Perché non ti metti il vestito bianco? Das war einziges Ergebnis einer zweijährigen Bemühung vaterseits, seinen Töchtern das Italienisch näherzubringen. An Fatmas zehntem Geburtstag stellte der Vater fest, dass sich Sprache nicht genetisch weitergeben lässt und handelte: Ab sofort sollten seine Töchter am schulfreien Nachmittag in den vom Pro Ticino organisierten Italienischkurs. Der Kurs half den Tessinerkindern in der Deutschschweiz, das Italienisch nicht nur zu sprechen, sondern auch zu schreiben.

 

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Krieg

Mai 2021, coronagebeutelt öffnet das Theater. 50 Leute. Gierig auf Kultur. Das Bild ist stark. Es wird gekotzt. Eine halbe Stunde lang. Die ersten verlassen den Saal. Nicht unbedingt geräuschlos. Ich bin gebannt. Es ist zum Kotzen. Es ist Krieg. Drei Männer auf der Insel. Gespielt von Frauen. Grandios. Der Ekel, Hass und grenzenlos. Noch nie verstand ich Krieg so gut. Krieg in Griechenland. Philoktet von Heiner.

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Goldie & Irène

Ich bin kein Typ fürs Tote. Mein selbstgewähltes Stofftier war das Hässlichste und sein Name platt. Ich weiss bis heute nicht, weshalb ich es Goldie nannte. Den harten Hamster fand ich in einem Weihnachtskatalog des Franz-Karl-Weber. Mit meinem Meerschweinchen war ich kreativer. Es reagierte auf den Namen Patapuf - französisch für Kartoffelbrei. Eine Klassenkameradin kam aus Französisch-Belgien.

 

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